Immer schneller ans Urlaubsziel – das ist der Wunsch der meisten Urlauber. Und dem tragen die superschnellen Turbo-Flugzeuge ja auch Rechnung. Was einerseits so angenehm ist, birgt aber auch Gefahren. Der Organismus mit seiner inneren Uhr, der unwillkürlichen Anpassung an Tag-Nacht-Rhythmen des Heimatlandes, kann sich nicht so einfach umstellen. Die innere Uhr kann man nicht wie den Reisewecker einfach 6 Stunden vor oder zurück stellen. Der Biorhythmus wird durch das rasche Überschreiten von mehreren Zeitzonen durcheinander gebracht. Das rächt sich: Konzentrationsstörungen, Abgeschlagenheit, Schlafstörungen, Übelkeit, Erregungszustände u.a.m. sind unerwünschte Urlaubsrequisiten bei langen Flugreisen in Ost-West- oder in West-Ost-Richtung.
Was ist Jet Lag?
Diese Bezeichnung beschreibt allgemein die Anpassungsschwierigkeiten an den neuen Tagesablauf, die ein Organismus nach einer raschen Reise über mehrere Zeitzonen erleidet. Ist beispielsweise die innere Uhr im langfristigen Biorhythmus auf Schlafen eingestellt, verschwindet das Tageslicht und werden die Körperfunktionen gedrosselt, dann ist bei einem plötzlichen Aufenthalt in anderen Zeitzonen womöglich gerade Morgenzeit, die die höchste Aktivität erfordert. Die aufgehende Sonne signalisiert, das eine körperliche Hochleistungsphase beginnt. Diese Diskrepanz von innerer Uhr und äußeren Signalgebern kann die regulären körperlichen Funktionen erheblich stören (wie übrigens auch bei manchen untrainierten Nachtschicht-Arbeitern). Die Folge sind die oben bereits genannten allgemeinen Beschwerden und oftmals auch Appetitmangel und Stuhlgangprobleme. In Untersuchungen ist nachweisbar, dass diese Beschwerden keineswegs „eingebildet“ sind, sondern tatsächlich auf organischen Veränderungen beruhen. So gibt es beispielsweise Veränderungen in der Hormonausschüttung und in der Nervenerregbarkeit. Die Anpassung dauert im Allgemeinen drei bis fünf Tage – auch ein Grund, weshalb Kurzurlaube in fernen Ländern meist weniger erholsam sind als Mindestaufenthalte von 2 Wochen. Bereits bei Zeitverschiebungen von zwei Stunden gibt es für 24 Stunden derartige Anpassungsprobleme.
Was kann man selbst dagegen tun?
Vielflieger wie Sportler oder Politiker entwickeln zumeist eigene Vorbeugungsstrategien (zumal sie in der Regel auch keine Möglichkeit einer mehrtägigen Anpassung an die neue Zeitzone haben). Im Allgemeinen gilt:
- Nach Möglichkeit sollte man schon einige Tage vor der Reise in Richtung Westen beginnen, den eigenen Tagesrhythmus etwas an die Situation im Zielland anzupassen.
– Beim Flug in Richtung Westen sollten Sie bereits einige Tage vor der Abreise später Schlafen gehen und (wenn möglich) später als sonst aufstehen.
– Während des Fluges sollten Sie nicht oder nur sehr kurz schlafen
– Am Zielort empfiehlt es sich, in den ersten Tagen früher die Nachtruhe zu beginnen und dann früher als gewohnt aufstehen. Dabei ist es günstig, wenn Sie in dieser Zeit möglichst intensiv das Sonnenlicht nutzen (ohne einen Sonnenbrand zu riskieren!). Bei sehr schlechtem Schlaf kann zeitweise ein kurzwirkendes Schlafmittel oder pflanzliches Beruhigungsmittel hilfreich sein. - Bei einer Fernreise in Richtung Osten bzw. der Rückreise aus einem weit westlich gelegenen Urlaubsland ist es ratsam, sich rechtzeitig wieder langsam an den heimatlichen Tagesrhythmus anzupassen. Das bedeutet:
– Einige Tage vor der Reise in Richtung Osten früher schlafen gehen und früher aufstehen
– Während des Fluges möglichst einige Stunden schlafen oder entspannen
– Am ersten Tag nach der Reise möglichst nicht zu lange in den Tag hinein schlafen, dafür abends früher schlafen gehen. Möglichst intensive Nutzung des Sonnenlichtes
– In den nächsten Tagen nach der Reise empfiehlt es sich, dann eher späte Nachtruhe und späteren Tagesbeginn zu organisieren und allmähliches Eintakten in den üblichen und gewohnten Lebensrhythmus vorzunehmen. - Der Rhythmus der Mahlzeiten sollte ebenfalls bereits vor Reiseantritt an das Zielland angepasst werden. Generell ist eine leichtverdauliche Kost zu empfehlen (wenig Fett).
- An der ersten beiden Urlaubstagen sollte auf jeden Fall Schonung vor Action Vorrang haben. Das gilt auch für die Rückkehr, also möglichst die Heimkehr einige Tage vor dem erneuten Start ins Arbeitsleben einplanen.
- Literweise Kaffee oder andere Muntermacher haben nur einen Scheinerfolg. Sie erleichtern die Anpassung des Körpers nicht, sondern können die Beschwerden sogar verstärken.
Ein besonderes Problem bietet der Wirkstoff Melatonin. An ihn wurden sehr große Hoffnungen als natürlicher Regulator der Schlaf-Wach-Steuerung geknüpft. Mit Melatonin sollten auch die Jet Lag-Beschwerden verhindert werden. In den USA wird die Substanz sehr kritiklos eingesetzt. In Deutschland ist sie nicht als Medikament zugelassen. Die Wirksamkeit von Melatonin-Gaben als Schlafvermittler und Regulator des Biorhythmus wird noch weiter untersucht.
Wann ist der Arzt zu konsultieren?
In erster Linie sollten Patienten, die regelmäßig zu einer bestimmten Tageszeit ein Medikament einnehmen müssen, ihren Arzt befragen. Wenn insulinpflichtige Diabetiker beispielsweise unterschiedliche Insulindosen a Morgen, Mittag und Abend spritzen, ist eine ärztliche Empfehlung unerlässlich. Auch bei der Insulingabe einmal pro Tag sollte der Arzt den richtigen Zeitpunkt festlegen.
Im Allgemeinen gilt, dass man sich auch in der Ferne mit der zeitorientierten Medikamenteneinnahme nach dem Zeitrhythmus daheim richtet. Wer also morgens um 6 Uhr regelmäßig ein Medikament einnahm, sollte es möglichst am Urlaubsort auch zu dem Zeitpunkt einnehmen, der in der Heimat 6 Uhr entspricht. Bei einer Zeitverschiebung von 6 Stunden (z.B. USA) würde das also etwa der Ortszeit Mitternacht entsprechen (wobei es sicher auf eine Stunde Differenz nicht ankommt).
Hängt die Medikamentengabe jedoch mit dem Ernährungsregime zusammen (z.B. Tablettengabe bei Zuckerkranken vor dem Essen, Verdauungstabletten bei Bauchspeicheldrüsen-Schwäche), dann muss man sich dem neuen Zeitregime vor Ort anpassen. Selbstverständlich ist das sicher bei Schlafmitteln, die man auch am fernsten Urlaubsort nicht zur Mittagszeit einnehmen wird. Es gibt also keine allgemeingültige Regel – deshalb ist der ärztliche Rat so wichtig.
Generell sollten Patienten mit chronischen Krankheiten und Dauertherapie lieber einmal zu oft ihren Arzt nach der richtigen Medikamenteneinnahme auf Fernreisen befragen.
Auf Sonderfälle (Dialyse-Patienten u.ä.) kann in diesem Rahmen nicht eingegangen werden. Sie sind ohnehin in ständiger ärztlicher Betreuung.
Hinweis!
Bei Reisen, auch über viele Stunden, in Nord-Süd- oder Süd-Nord-Richtung kommt es nicht zu Jet lag-Erscheinungen, allenfalls zu Ermüdungserscheinungen und Beschwerden durch die Klimafaktoren im Flugzeug und den Bewegungsmangel (s.a. Reisethrombose).