In den letzten Jahrzehnten hat sich eine grundsätzliche Wandlung beim Umgang mit Herzschäden durchgesetzt. War es noch in den fünfziger Jahren medizinisches Prinzip, Patienten mit Herzschwäche oder gar einem Herzinfarkt gleichsam in Watte zu packen und alle Belastungen fernzuhalten, so weiß man heute, dass auch der kranke Herzmuskel Training braucht, um den Leistungsrest zu erhalten. Daraus ist zu folgern, dass Herzkranken keinesfalls ein Urlaub mit all den positiven, anregenden, aufmunternden Effekten versagt werden muss. Voraussetzung ist allerdings, dass die Belastung dosiert erfolgt, keine unerwünschte Überlastung eintritt und nicht falscher Ehrgeiz zu körperlichen Hochleistungen zwingt.
Warum können Reisen riskant werden?
Durch eine Verengung der Blutgefäße, die den Herzmuskel mit Sauerstoff und Energieträgern versogen, oder durch eine Stoffwechselstörung erhält der Herzmuskel vor allem bei Belastung zu wenig Blut. Die Folge sind heftige Schmerzen in der linken Brustregion (Angina pectoris), eine Leistungsschwäche des Herzmuskels (Herzinsuffizienz) oder gar ein Absterben von Herzmuskelabschnitten (Herzinfarkt).
Bei Belastungen aller Art, körperlichen wie psychischen, wird das Herz stärker beansprucht. Es muss mehr Blut in die Organe pumpen. Das kann zu einem Missverhältnis zwischen Bedarf und Leistung führen – eben den genannten Durchblutungsstörungen. Aus diesem Mechanismus heraus ist erklärbar, warum der Reisestress und falsch dosierte Belastung am Urlaubsort gefährlich werden können.
Was müssen Herzkranke auf Reisen beachten?
- Grundsätzlich sollte jeder Herzpatient seine Urlaubspläne mit dem behandelnden Arzt absprechen. Allgemeine Regeln sind kaum aufzustellen. Die Empfehlungen müssen stets vom konkreten Befund und der tatsächlichen Leistungsfähigkeit des Herzens ausgehen.
- Ein besonderes Problem sind Flugreisen. Die atypischen Druckverhältnisse stellen eine erhebliche Belastung für das herz dar. Herzkranke müssen sich daher vor einem Fernflug mit dem Arzt verständigen, ob die Belastung vertretbar ist und wie sie die Risiken minimieren können. Zu wenig bekannt ist (ohne Angst zu schüren), dass Jahr für Jahr weltweit weitaus mehr Flugpassagiere in der Maschine an Herzproblemen versterben als bei Flugzeugabstürzen! Hierbei handelt es nach Auskunft des Medizinischen Dienstes der Lufthansa fast immer um Patienten, die nicht vor Reisebeginn ihren Arzt konsultierten (s.a. Reiseapotheke Flugreisen).
- Nach einem sicheren Herzinfarkt sollte frühestens nach sechs Wochen eine Flugreise angetreten werden, bei sehr schweren Infarkten sogar erst nach 12 Wochen. Ist nur in kleiner Herzmuskelabschnitt betroffen und die Herzfunktion nicht eingeschränkt, kann evtl. auch bereits 10 Tage nach dem Ereignis ein Flug akzeptiert werden.
- Die genannten Zeiten des Flugverbotes bei Herzinfarkt beziehen sich selbstverständlich auf Reiseflüge, nicht etwa auf ärztlich begleitete Sanitätsflüge aus dem Ausland.
- Nach einer Aufweitung der Herzkranzgefäße (sogenannte Ballondilatation) ist im Allgemeinen eine Flugkarenz von drei Tagen ausreichend. Der Arzt kann bei komplizierteren Fällen auch raten, mindestens 10 Tage nach dem Eingriff keine Flugreise anzutreten.
- Bei einer schweren Herzleistungseinschränkungen mit ständigen Beschwerden wie dauernder Atemnot auch in Ruhe ist Fliegen nicht vertretbar. Bei leichteren Formen kann nach ärztlicher Beratung das Fliegen erlaubt werden.
- Bei gut eingestellten Herzschrittmachern gibt es keine Einschränkung der Flugtauglichkeit.
- Bluthochdruck verbieten nicht unbedingt das Fliegen, es hängt jedoch davon ab, ob und welche Komplikationen bereits aufgetreten sind. Bei Blutdruckwerten über 200/120 mmHg besteht keine Flugtauglichkeit.
- Nach Herzoperationen muss der Herzspezialist entscheiden, wie die Risiken eines Fluges eingeschätzt werden. Im Allgemeinen gibt es keine Bedenken gegen das Fliegen nach etwa zwei Wochen.
- Bei Atemnot, auch durch Blutrückstau in die Lungen wegen eines Herzfehlers, sollte auf jeden Fall sehr genau geprüft werden, ob das Risiko eines Reisefluges vertretbar ist. Zumeist wird der Arzt vom Fliegen abraten.
- Im Flugzeug sollten Herzkranke auf blähende Speisen oder kohlensäurehaltige Getränke verzichten. Die inneren Hohlorgane wie Magen und Darm dehnen sich bei den niedrigeren Blutdruck ohnehin aus und bedrängen das Herz.
- Das Tragen von Koffern und anderen schweren Gepäckstücken sollte unbedingt vermieden werden, da die Muskelanspannung den Kreislauf stark belasten kann.
- Auf der Reise wie auch am Urlaubsort ist auf Alkohol zu verzichten. Jeder Raucher muss wissen, dass er mit dem Rauchen seine Herzprobleme erneut herausfordert, also sollte der Urlaub bewusst zur Rauchentwöhnung genutzt werden.
- Vorsicht vor dem Sonnenbad! Sonne und Wärme erweitern die Blutgefäße der Haut und belasten so das Herz mit erhöhter Förderleistung.
- Wählen Sie bewusst Ihr Reiseziel aus. Das Reizklima der Nordsee oder Hochgebirge sind für Herzkranke nicht sonderlich geeignet. Auch Tropenreisen in der Hochsaison können riskant sein. Am günstigsten sind warme, aber nicht heiße Urlaubsziele in flacher Lage. Wichtig ist, dass Sie am Urlaubsort entspannen können und nicht von Hektik heimgesucht werden.
- Gönnen Sie sich Zeit, um sich an das andere Klima zu gewöhnen, buchen sie also keine Kurzurlaube in die Ferne.
Auch lange Autofahrten strapazieren den Kreislauf. Die ersten drei Monate nach einem Infarkt sollten Sie keine langen Autofahrten antreten. Machen Sie ausreichende Pausen. - Dosierter Sport ist sehr gut. Der Urlaub ist besonders dafür geeignet, sich moderat zu belasten. Aber verfallen Sie nicht in einen riskanten Ehrgeiz, es mit Herzgesunden aufnehmen zu wollen.
- Wenn Sie im Meer baden, dann sollten Sie stets einen Begleiter bei sich haben. Spielen Sie nicht den Helden, der sich vom warmen Strand sofort ins Kühle stürzt. Das stellt durch die Gefäßreaktion in der Kälte eine extreme Kreislaufbelastung dar, die einen Infarkt oder Reinfarkt auslösen kann.
- Führen Sie stets Ihr Notfallmedikament bei sich (Nitro-Spray) und wenden Sie das durchblutungssteigernde Mittel sofort beim Auftreten von Schmerzen an. Man kann auch vor einer körperlichen Belastung (beispielsweise dem Schwimmen) vorbeugend zur Spray greifen. Auch Magnesiumpräparate sind zum Herzschutz geeignet.
- Über die Risiken von Thrombosen und Embolien: siehe Reiseapotheke Thrombose. Herzpatienten sind dadurch besonders gefährdet.
- Nehmen Sie Ihre Dauer-Medikamente regelmäßig ein und passen Sie den Rhythmus allmählich der Ortszeit an.
- Führen Sie einen ärztlichen Kurzbericht über ihre Herzkrankheit und die wichtigsten Befunde sowie die verordneten Medikamente sei sich, um sie im Notfall einem Arzt am Urlaubsort vorlegen zu können.
- Zögern Sie auf keinen Fall, beim Auftreten irgendwelcher Beschwerden rasch ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, auch wenn Sie meinen, es handle sich nur um harmlose Beschwerden.
Unter Beachtung dieser Besonderheiten haben Herzkranke durchaus die Möglichkeit, einen gesundheitsfördernden, stabilisierenden Urlaub in der Ferne ohne Reue verleben zu können.