Poliomyelitis
1961 brach in der Bundesrepublik Deutschland eine große Kinderlähmung-Epidemie aus, bei der 4461 Menschen erkrankten und 305 daran verstarben. Daraufhin startete ein Jahr später eine große Impfaktion unter dem Motto „Schluckimpfung ist süß – Kinderlähmung ist grausam“. Heute ist der gesamte amerikanische Kontinent seit 1993 dank einer konsequenten Impfpolitik frei von Kinderlähmung (auch Poliomyelitis oder Polio genannt). Auch die meisten Industrienationen Europas sind von einheimischer Polio frei.
In diesen Regionen auftretende Infektionen werden eingeschleppt oder sind Fälle von Impfpolio. Immer noch häufig ist die Kinderlähmung in einigen Ländern Afrikas und Asiens mit niedrigem Hygienestandard und hoher Bevölkerungsdichte. Ungeimpfte Reisende in diese Gebiete laufen Gefahr selbst zu erkranken und durch Einschleppen des Erregers in ihr Heimatland andere anzustecken Im Gegensatz zur weitverbreiteten Meinung,erkranken nicht nur Kinder und Jugendliche, sondern auch Erwachsene an Kinderlähmung. In Deutschland verfügen 87 % aller Jugendlichen, aber nur 67 % der über 40-jährigen über einen ausreichend Impfschutz.
INFO Impfpolio
In einigen Ländern ist das Risiko einer Poliowildvirus-Infektion vergleichbar mit dem Risiko einer vakzineassoziierten paralytische Poliomyelitis (VAPP). Die VAPP stellt eine sehr seltene (1:4,4 Mio. Fälle) Impfkomplikation der oralen Polioimpfung (OPV), die abgeschwächte Lebendviren enthält. Um eine VAPP zu verhindern, wird in Deutschland die Schluckimpfung mit abgeschwächtem Lebendimpfstoff nicht mehr verwendet, sondern nur noch ein Totimpfstoff mit inaktivierten Polioviren (IPV) empfohlen. Der Lebendimpfstoff ist nur im Falle von Ausbrüchen zur raschen Immunisierung der Umgebung angebracht.
Übertragung der Errger & Risikofaktoren
Die Polio-Viren kommen in verschmutztem Wasser, verunreinigter Nahrung und im Speichel von infizierten Menschen vor. Auch im Stuhl lassen sich bei Patienten im Anfangsstadium der Erkrankung die Erreger nachweisen. Die Übertragung der Viren erfolgt meist durch die Aufnahme von mit Fäkalien verseuchtem Trinkwasser oder Lebensmittel, kann jedoch auch über Tröpfcheninfektion (z.B. beim Husten oder Niesen) stattfinden. Der einzige natürliche Wirt der Polio-Viren ist der Mensch.
Krankheitsbild & Symptome
Die ersten Krankheitszeichen, vor allem Fieber, Schluckbeschwerden, Abgeschlagenheit und Gliederschmerzen treten etwa 7-14 Tage nach einer Ansteckung mit Polio-Viren auf. Die Vermehrung der Polio-Viren im Darm kann auch Übelkeit, Erbrechen und Verdauungsstörungen verursachen. In ca. 90 % der Fälle verläuft jedoch eine Polio-Infektion ohne jegliche Krankheitszeichen, sozusagen asymptomatisch. Nur 1 von 100 bis 1000 infizierten Personen erkrankt an einer schlaffen Lähmung.
Auswirkungen & Spätfolgen
Die Lähmung nach einer Polio-Infektion tritt plötzlich, oft morgens nach der nächtlichen Bettruhe, auf. . Es kommt 1-2 Tage nach dem Erscheinen der ersten Krankheitszeichen zu schlaffen Lähmungserscheinungen einzelner Muskelgruppen (v.a. der Arme und Beine) . Eine Ausdehnung der Lähmungen auf alle vier Gliedmassen ist möglich. Bei der sogenannten bulbären Form der Kinderlähmung kommt es zum Ausfall der von Hirnnerven versorgten Muskelgruppen. Schluckbeschwerden, Sprachstörungen und Atemnot können die Folge sein.
Während sich bei etwa 30 % der Fälle die Krankheitszeichen vollständig zurückbilden, sind leichte (30%) oder schwere (30 %) bleibende Schäden häufig, insbesondere Fehlstellungen der Gliedmaßen durch den Ausfall ganzer Muskelgruppen. In bis zu 10 % der Krankheitsfälle führt eine Kinderlähmung sogar zu einer Atemlähmung mit Todesfolge.
Erkennung & Untersuchungen
Eine sichere Diagnose der Kinderlähmung kann durch den Nachweis des Erregers im Rachenspülwasser (bei Erkrankungsbeginn) oder Stuhl gestellt werden.
Therapie
Eine ursächliche Therapie der Kinderlähmung ist nicht möglich. Die Therapie beschränkt sich auf die Behandlung der Krankheitszeichen, z.B. durch strikte Bettruhe oder maschinelle Beatmung bei Befall des Atemzentrums.
Impfschutz
Die einzig wirksame Maßnahme einer Kinderlähmung zu entgehen, ist die konsequente Impfung. Eine Impfung im dritten, vierten, fünften sowie zwischen dem 12. und 15. Lebensmonat sorgt für die Grundimmunisierung Info. Auch die Auffrisch-Impfung zwischen dem 11. und 18. Lebensjahr sollte nicht vergessen werden. Eine Auffrisch-Impfung alle 10 Jahre hält die Schutzwirkung aufrecht und ist insbesondere bei Reisen in Gebiete mit Kinderlähmungs-Vorkommen wichtig. Um sich bei einer Impfung gegen Kinderlähmung gleichzeitig auch vor anderen Infektionskrankheiten wie z.B. Tetanus, Diphtherie, Keuchhusten und Hib zu schützen, stehen Kombinationsimpfstoffe zur Verfügung.
Aktuelles
Seit Anfang 1998 empfiehlt die Ständige Impfkommission des Robert Koch-Institutes in Berlin (STIKO) generell die Verwendung eines Totimpfstoffes gegen die Kinderlähmung. Die im Totimpfstoff enthaltenen Impfkeime sind nicht vermehrungsfähig und können somit keine Erkrankung beim Geimpften auslösen. Bei der früher verabreichten Schluckimpfung mit abgeschwächten Polio-Erregern sind in ganz seltenen Fällen (1 auf > 4 Millionen Impfungen) beim Impfling („Impfpoliomyelitis“) oder noch seltener (1 auf > 15 Millionen Impfungen) bie Kontaktpersonen („Impfkontaktpoliomyelitis“) Lähmungen aufgetreten.
Häufige Fragen
Weshalb ist in Deutschland eine Impfung gegen Kinderlähmung empfehlenswert, wenn doch keine Erkrankungen vorliegen?
Noch bis Mitte dieses Jahrhunderts wurde die Kinderlähmung aufgrund der regelmäßig auftretenden gehäuften Krankheitsausbrüche als sehr bedrohlich empfunden. Heute ist uns diese Krankheit infolge der erfolgreich durchgeführten Impfkampagnen fast nicht mehr gegenwärtig. Viele Menschen wiegen sich deshalb in einer trügerischen Sicherheit und vernachlässigen ihren Impfschutz. Unter diesen Umständen ist das Auftreten neuer Epidemien jederzeit möglich.
Kann die Kinderlähmung ausgerottet werden?
Nach den Pocken könnte die Kinderlähmung die zweite Infektionskrankheit sein, die infolge massiver und gezielter Impfungen aus der Welt verschwindet. 1994 erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Amerika als „poliofrei“ und 1996 waren bereits 145 Staaten der Erde frei von Kinderlähmung.
Wichtige Adressen
Robert Koch-Institut
Nordufer 20
13353 Berlin
Telefon: 01888 754-0
Telefax: 01888 754-2328