Die Vorstellung ist verlockend: Morgens schnell eine Pille einwerfen und schon ist die «gesunde Ernährung» für den Tag abgedeckt. Zum Mittagessen warten bereits Bratwurst und Pommes. Eine Milliarde Mark werden in Deutschland jährlich für Vitaminpillen und Brausetabletten ausgegeben. Unter den frei verkäuflichen Multivitaminprodukten gibt es einerseits Arzneimittel, die vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zugelassen werden, und andererseits Nahrungsergänzungsmittel (NEM).
Gesetzliche Vorschriften für letztere fehlen noch weitgehend. Nach einer Studie des Robert-Koch-Instituts in Berlin greifen vor allem diejenigen zur Vitaminpille, die sich sowieso schon besonders gesund ernähren und viel Sport treiben. Wer tatsächlich einen erhöhten Vitaminbedarf hat, etwa weil er raucht oder oft Fast Food isst, zeigt dagegen kein besonderes Interesse an Vitaminpillen.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) gibt in ihren «Referenzwerten für die Nährstoffzufuhr» an, welche Mengen an Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente täglich aufgenommen werden sollten. In der aktuellen Februar-Ausgabe wollte Öko-Test prüfen, ob die marktüblichen Multivitaminpräparate diese Empfehlungen einhalten.
Künstliche Vitamine – Die Testergebnisse
Insgesamt vierundzwanzig Produkte wurden unter die Lupe genommen, von denen vierzehn neben Vitaminen auch Mineralstoffe und Spurenelemente enthielten. Von den untersuchten Präparaten sind laut Öko-Test fünfzehn mit Einschränkungen zu empfehlen.
Acht Präparate enthielten problematische Süssstoffe. Bei fünfzehn Mitteln waren einzelne oder mehrere Komponenten überdosiert. Das ist insbesondere bei den fettlöslichen Vitaminen A und D problematisch. Zu hohe Dosen von Vitamin A beispielsweise können in der Schwangerschaft Missbildungen beim ungeborenen Kind hervorrufen. Eine Überdosis Vitamin C hingegen wird vom Körper mit dem Urin wieder ausgeschieden.
Ein Mittel enthielt technische Hilfsstoffe, sogenannte Polyethylenglykole (PEG). Sie machen Haut und Schleimhäute durchlässiger für Schadstoffe. Im gleichen Produkt steckte auch noch Natriumlaurylsulfat, das die Schleimhäute reizt. Mit den Ergebnissen eines Präparates beschäftigt sich laut Öko-Test bereits der Staatsanwalt. Der niederländische Hersteller Dr. Rath vertreibt via Internet ein hochdosiertes Vitaminpräparat mit dem Namen «Vitacor Plus» Dieses hat jedoch in Deutschland nicht die benötigte Zulassung als Arzneimittel.
Natürlich oder künstlich?
«Das Hauptproblem ist, dass die Vitamine meist in hohen Dosen und isoliert eingenommen werden», sagt Dr. David Fäh, Ernährungsexperte bei GetWellness Online Health. Natürliche Vitaminlieferanten wie Obst und Gemüse sind jedem künstlichen Präparat überlegen. Sie enthalten zusätzlich zu Vitaminen und
Mineralstoffen eine Vielzahl weiterer Substanzen, deren genaues Zusammenspiel noch längst nicht erforscht ist. Die in Zitrusfrüchten vorkommenden Flavonoide zum Beispiel fördern die Wirkung des ebenfalls darin enthaltenen Vitamin C.
Sinnvoll sind Vitaminpräparate, wenn während einer Krankheit oder nach einer Operation die Aufnahme von Nährstoffen im Körper gestört ist. Bei einigermassen ausgewogener Ernährung nimmt man genügend Vitamine zu sich. Wer trotzdem auf Vitamintabletten nicht verzichten möchte, sollte auf jeden Fall ein Präparat mit niedriger Dosis wählen.