In den vergangenen Monaten geriet ein eigentlich altes Krankheitsbild mit einem neuen Namen in die Schlagzeilen der Presse:
Das Economy Class Syndrom, die Thrombose als Folge einer längeren Flugreise in engen Sitzreihen. Gemeint ist damit die Tatsache, dass bei langen Flügen als Folge des erheblichen Bewegungsmangels in den sogenannten tiefen Beinvenen ein Blutstau eintreten kann, der zur Ablagerung von Blutgerinnseln (Thromben) in den Blutgefäßen führt. Höchst gefährlich wird das dann, wenn sich diese Blutgerinnsel von der Venenwand losreißen, mit dem Blutstrom zunächst in den rechten Herzvorhof und die rechte Herzkammer geschwemmt werden und dann über eine Lungenarterie in die Lunge gelangen.
Dort verstopfen sie dann die Ader, das Blut kann nicht mehr in die Lungenbläschen zum Gasaustausch gelangen. Schwere Störungen der Sauerstoffversorgung des ganzen Körpers können eintreten, oft ist sogar über Reflexmechanismen ein tödlicher Herzstillstand die Folge (Lungenembolie).
Die Komplikation tritt in der Economy Class häufiger auf, weil dort bekanntlich die Bewegungsmöglichkeit der Füße und Beine eingeschränkter als in den höheren Passagierklassen ist. Aber die Reisethrombose ist keineswegs eine Komplikation, die nur auf die untere Preisklasse oder nur auf Flugreisen beschränkt ist. Sie kann auch bei längeren Autofahrten oder Bus- oder Bahnreisen ohne ausreichende Bewegungsmöglichkeit auftreten.
Wie kommt es zur Reisethrombose?
Für eine Blutgerinnung innerhalb einer Vene müssen drei Voraussetzungen gegeben sein:
- Eine Störung des normalen Blutflusses, also ein Blutstau.
- Veränderungen an der Gefäß-Innenwand, also Vorschäden in einem Blutgefäß und
- eine erhöhte Neigung zur Blutgerinnung.
Der Blutstau in den Venen kann relativ leicht entstehen. Anders als bei den Schlagadern, den Arterien, wird das Blut in den Venen nicht durch den Druck des Herzschlages transportiert. Das Herz „saugt“ auch keinesfalls das venöse Blut wieder zum Herzen hin. Nur durch die sogenannte Muskelpumpe, also das Zusammenpressen der Venen bei Muskelanspannung (z.B. beim Gehen), wird das venöse, sauerstoffarme, schlackenreiche Blut zum Herzen hin transportiert. Fehlt die Muskelpumpe für längere Zeit, dann verzögert sich der Blutrückfluss. Es kommt zum Blutstau. Und der wiederum begünstigt das Auftreten von Blutgerinnseln. Die Gefahr wird verstärkt, wenn die glatte Innenwand der Blutgefäße rau oder eingeengt ist oder das körpereigene System der Blutgerinnung überaktiv ist. Die Blutgerinnungsmechanismen sorgen bekanntlich dafür, dass bei Verletzungen die Gefäße sich rasch verschließen und nicht zu viel Blut verloren geht. Es bildet sich ein Blutpfropf, der das geöffnete Blutgefäß verschließt. Entsteht dieser Blutpfropf jedoch fälschlich in einem geschlossenen Ader, dann wird dieser eigentlich sehr nützliche Mechanismus zur Bedrohung. Es gibt aber Möglichkeiten, die Blutgerinnung zu hemmen – doch das erhöht eben auch die Blutungsgefahr.
Um das Auftreten dieser gefährlichen Komplikation bei langen Reisen zu verhindern, muss man folglich möglichst alle drei der genannten begünstigenden Faktoren beeinflussen.
Wie kann man die Reisethrombose verhindern?
Da beim stundenlangen Sitzen in Economy-Class-Sitzen oder in engen Pkws bzw. Bussen die Beine kaum bewegt werden und die Muskelpumpe so nicht aktiv wird und außerdem die Venen an der Rückseite der Oberschenkel zusammen gepresst werden, ist der Blutfluss erhebliche behindert. Das tritt insbesondere auf, wenn die Beine außerdem übereinandergeschlagen werden.
Ein weiteres Problem ist die oft unzureichende Trinkmenge, die gleichsam zu einem Eindicken des Blutes und stärkerer Gerinnungsneigung führt. Zu beachten ist auch, dass ein reichlicher Kaffeegenuss keineswegs immer von Nutzen ist. Durch die angeregte Nierendurchblutung wird die Urinausscheidung gefördert, was auch zur Bluteindickung beiträgt. Sehr wenig bekannt und oft nicht beachtet wird, dass trotz aller modernen Ausstattung in den Flugzeugen ein Luft-Unterdruck herrscht, der etwa einem Luftdruck in 2 500 Meter Höhe entspricht.
Der Luftdruck beträgt also nur Zweidrittel des gewohnten Boden-Luftdruckes. Dadurch kann es zu Flüssigkeitsansammlungen im Gewebe (Ödeme) und zum Anschwellen der Unterschenkel kommen, die ebenfalls den regulären Blutfluss beeinträchtigen. Ein weiterer, erst neuerdings bekannt gewordener Faktor: Die niedrigere Sauerstoffkonzentration in den Flugzeugkabinen erhöht die Blutgerinnungsneigung.
Was kann man vorbeugend tun?
Die Darstellung dieser Fakten soll keineswegs Ängste vor dem Fliegen oder vor langen Reisen schüren. Wichtig ist jedoch, dass man diesen Komplikationen selbst gut vorbeugen und das Risiko deutlich vermindern kann. Dazu dienen:
- Bei längeren Reisen, auch in engen Flugzeugsitzen, sollten Sie möglichst oft die Beinmuskulatur bewegen, indem Sie die Fußspitzen anheben und senken, oder mit den Beinen wippen. Achten Sie darauf, dass Sie die Oberschenkel nicht übereinander schlagen und – wenn möglich – gelegentlich aufstehen und ein paar Schritte gehen.
- Bei bekannter Venenschwäche oder Krampfadern sollten während des Fluges oder der Autofahrt Thrombosestrümpfe, d.h. Kompressionsstrümpfe, getragen werden. Das fördert den Blutrückstrom. Sie müssen aber gut (d.h.: eng) sitzen und sollten medizinisch geprüft sein.
- Enge Gürtel oder einschnürende Wäsche sind zu vermeiden.
- Die ausreichende Trinkmenge sollte mit mindestens 100 ml eines alkoholfreien Getränkes pro Stunde gesichert werden.
- Bei erhöhtem Thromboserisiko (bekannte Venenprobleme, frühere Thrombose, überstandener Herzinfarkt) kann eventuell die Blutgerinnungsneigung mit Medikamenten vermindert werden. Deren Einsatz und die Dosierung muss jedoch der Arzt entscheiden (möglichst bereits einige Tage vor Reisebeginn). Eventuell genügt auch eine Spritze mit dem Gerinnungshemmer Heparin unmittelbar vor Reisebeginn.
- Schwangere und Frauen mit einer Östrogenbehandlung sollten vor Reiseantritt ihren Arzt befragen, wie sie sich zu verhalten haben.
- Gegen die durch die Gewebeschwellung (Odeme) versursachten Beschwerden können auch venentonisierende Präparate, z.B. Extrakte aus der Rosskastanie, hilfreich sein. Lassen Sie sich von Ihrem Arzt oder Apotheker beraten.
Spezielle Tipps
- Bei Flugreisen ist auch zu beachten, dass man während des gesamten Fluges nicht an das aufgegebene Reisegepäck herankommt, um auf eventuell mitgenommene Arzneimittel (z.B. Herzkranke, Lungenpatienten) aus dem Gepäck zurückzugreifen. Notwendige Arzneimittel gehören in das Handgepäck!
- Durch den Unterdruck in den Kabinen können leicht Ohrenschmerzen auftreten. Bei Erkältungskrankheiten empfiehlt es sich daher, vor dem Start und der Landung abschwellende Nasentropfen anzuwenden.
- Die trockene Kabinenluft kann auch die Nasenatmung behindern. Dagegen helfen ölhaltige Nasensprays.
- Kontaktlinsenträger sollten während des Fluges lieber eine Brille tragen.
Wann ist der Arzt zu konsultieren?
Bei allen Erkrankungen oder Funktionseinschränkungen sollte unbedingt vor der Reise der Arzt konsultiert werden. Die modernen Flugzeuge sind – trotz der genannten Einschränkungen – so ausgestattet, das auch Herzkranken oder Patienten mit Funktionseinschränkungen der Lunge das Fliegen zugemutet werden kann. Auch nach Herzoperationen ist keine dauerhaftes Flugverbot nötig. Der Zeitraum sollte jedoch stets mit dem behandelnden Arzt besprochen werden.
Es kann keine allgemeingültigen Regeln geben. Bei manchen Operationen ist bereits wenige Tage danach Flugfähigkeit gegeben, bei anderen (z.B. Hirnoperationen) kann der Arzt eventuell monatelang vom Flug abraten. Bei Fieber und starken akuten Schmerzen unklarer Ursache ist in der Regel von einer Reise abzuraten.
Wichtige Hinweise für Patienten
Auch Kranke brauchen keineswegs auf alle Reisen zu verzichten. Es ist aber Überlegung bei der Planung angesagt.
Gehbehinderten ist sicher keine strapaziöse Städtereise oder Besichtigungsdauer anzuraten.
Herzkranke sollte auf Höhenlagen verzichten. Schilddrüsenpatienten können eventuell am Meer wegen der jodhaltigen Luft Probleme bekommen.
Patienten mit besonderen Betreuungsleistungen (z.B. Künstliche Niere) ist vor Reisebeginn zu klären, ob am Zielort eine adäquate Betreuung möglich ist. Derartige Patienten sollten auch stets aussagefähige Unterlagen zu ihrer Therapie mit sich führten.
Arzneimittel sollten möglichst für den gesamten Reisezeitraum von zu hause mitgenommen werden.
Es gibt in den Urlaubsländern selbstverständlich auch entsprechende Medikamente, aber nicht immer haben sie die genau gleiche Zusammensetzung wie im Heimatland. Das gilt natürlich nicht für internationale Markenfirmen. Deren Produkte mit gleichem Namen sind identisch. Sie sollten auch stets die Packung des Präparates oder den Beipackzettel mitnehmen, da dann vor Ort notfalls ein identisches Medikament besorgt werden kann.