Tinnitus: Ursache, Symptome & Behandlung – Folge von Stress?

Klingeln, Klopfen, Pfeifen, Rauschen, Summen, Brummen, Zischen, Hämmern, Knarren sind die typischen Lärmbelästigungen beim Tinnitus. Schätzungsweise 8 Millionen Deutsche – darunter auch schon Kinder und Jugendliche – sind mehr oder weniger von derartigen Ohrgeräuschen betroffen. Über die Hälfte der Personen fühlt sich dadurch nicht wesentlich beeinträchtigt. Jedoch etwa 1,5 Millionen von denen, die das „Radio im Kopf“ nicht abstellen können, entwickeln ernsthafte psychische und körperliche Symptome und Beschwerden. In schweren Fällen kann Tinnitus bis zur Arbeitsunfähigkeit oder gar Invalidität führen.

Ursachen & Risikofaktoren

An der Entstehung des Tinnitus sind die inneren und äußeren Haarzellen in der Hörschnecke (Cochlea) des Innenohrs beteiligt. Ist eine größere Anzahl von ihnen beschädigt, so kann die Umwandlung der Schallwellen in elektrische Nervenimpulse nicht mehr richtig erfolgen und es kommt spontan zu fehlerhaften Impuls-Reaktionen. Der Hörnerv verarbeitet diese weiter als wenn der Impuls durch eine Schallwelle ausgelöst worden wäre. Im Gehirn wird daraufhin der Eindruck eines Schallereignisses gemeldet: So entsteht durch die Fehlübertragung die subjektive Wahrnehmung eines Geräuschs – das Phantom im Ohr, ähnlich wie Menschen mit amputierten Gliedmaßen sogenannte Phantomschmerzen spüren.

Häufigste Ursache für einen Tinnitus ist eine kurzzeitige, starke Überstrapazierung des Gehörs, beispielsweise durch Walkman-Musik, Rockkonzert Info, Technoparty, aber auch durch Schiessen ohne Gehörschutz, Schreckschusspistolen, Silvesterfeuerwerk etc.

Neben der akuten, sehr lauten Belastung kann auch eine langandauernde chronische Lärmquelle die Haarzellen im Innenohr schädigen. Beruflich gefährdet sind – neben den Discjockeys und Rockmusikern – z. B. Straßenarbeiter oder generell Arbeiter an lauten Arbeitsplätzen, die ihre persönlichen Lärmschutzmaßnahmen vernachlässigen. Unter Arbeitern tritt Tinnitus doppelt so häufig auf wie unter anderen Berufstätigen.

Der zweite Ursachen-Komplex umfasst bestimmte Störungen und Krankheiten: angefangen von banalen Erklärungen wie verstopfter Gehörgang über Virusinfektionen, Einblutungen und Verletzungen des Ohrs bis hin zum Schädelhirntrauma oder Tumoren. Am häufigsten sind organische Erkrankungen. Diese können den Gehörapparat direkt betreffen (Hörsturz, Morbus Menière (Drehschwindel), Lärm-, Alters- und Innenohrschwerhörigkeit, chronische Mittelohrentzündung) oder über eine Minderdurchblutung beeinträchtigen (bei Bluthochdruck oder ausgeprägtem niedrigen Blutdruck, Herz-Kreislaufkrankheiten, Durchblutungsstörungen, Arteriosklerose). Auch die bei Diabetikern auftretenden Langzeitschäden an den Gefäßen können das Innenohr betreffen.

Zur Ursachenfindung können sowohl der Orthopäde wie der Zahnarzt beitragen: Degenerative Veränderungen oder eine chronische Fehlstellung im Halswirbelsäulen-Bereich können über eine Durchblutungsstörung einen sog. zervikogenen Tinnitus bedingen. Er lässt sich durch manuelle Therapie oder Chirotherapie verbessern. Orthopädische Probleme im Bereich des Kiefergelenks und Gebiss-Unregelmäßigkeiten, die Spannungszustände erzeugen, wirken sich ebenfalls negativ auf die Durchblutung aus.

Bei älteren Menschen ist oftmals eine Otosklerose für den Tinnitus verantwortlich. Es handelt sich um eine Verknöcherung des Steigbügels, des Knöchelchens, das die Verbindung zwischen Mittelohr und Innenohr darstellt. Die damit verbundene Hörstörung kann operativ behoben werden, die Chancen, dass damit auch der Tinnitus verschwindet, liegen bei etwa 50%.

In mehr als der Hälfte der Fälle, so schätzen Experten, ist der auslösende Faktor für einen Tinnitus auf eine langjährige individuelle psychische Problematik zurückzuführen. Vermutlich führt die unter Dauerstress vermehrte Ausschüttung von Adrenalin zur Drosselung oder gänzlichen Unterbindung der Durchblutung des Innenohres.
Bezeichnenderweise machen nicht wenige Betroffene über die anhaltende Stress-belastete Situation vor Eintreten des Tinnitus Aussagen wie: „Ich konnte es nicht mehr hören“.

Krankheitsbild

Menschen mit Tinnitus hören ständig, Tag und Nacht, mal mit mal ohne Pausen, unterschiedlich laut, auf einem oder beiden Ohren, manchmal im gesamten Kopf Geräusche wie Klingeln, Klopfen, Pfeifen, Rauschen, Summen, Brummen,etc., auch Melodien oder Stimmen.

Jeder Betroffene hat seine eigenen. Allen gemeinsam ist jedoch: Sie hören die Geräusche nicht mit den Ohren – denn es gibt keine akustische Information von außen, kein reales Geräusch, keine Schallwellen – sondern mit dem Gehirn. Ohrgeräusche (subjektiver Tinnitus) können deshalb außer von den Betroffenen selbst von niemandem gehört und auch nicht objektiv gemessen werden. Das Gehirn versucht vergeblich, in diesem Chaos Sinn zu erkennen und diese Verwirrung führt zu einem die Psyche und den Körper belastenden Stress mit den entsprechenden Auswirkungen.

Auswirkungen

Ohrgeräusche sind in den meisten Fällen (von seltenen Ursachen wie z.B. Tumoren abgesehen) weder von ihren Ursachen noch von ihren Auswirkungen her lebensbedrohend. Medizinisch gesehen gilt Tinnitus denn auch weniger als Krankheit, sondern als Krankheitssymptom, das jedoch unbehandelt im Laufe der Jahre zu schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen führen kann.

Nur in etwa 7% kommt es nach dem ersten Auftreten zu einer weiteren Verschlechterung der Ohrgeräusche. Der Verlust der Stille, die ständigen Geräusche und das Gefühl, ihnen nicht entrinnen zu können, führen aber bei nicht wenigen Betroffenen zu körperlichen und psychischen Auswirkungen, die Leben und Arbeit beeinträchtigen und auch die Familie und Kollegen mitbelasten. Wenn tinnitusbedingten Krankheitszeichen und Beschwerden vorliegen, spricht man von dekompensiertem oder komplexem Tinnitus.

Dazu gehören Schlaf- und Konzentrationsschwierigkeiten, Kopf- und Nackenschmerzen, emotionale Verstimmungen wie Reizbarkeit oder Niedergeschlagenheit, Angstzustände, Depressionen bis hin zu Selbstmordabsichten. In etwa 90% der schweren Fälle kann ein vorübergehender oder dauerhafter Hörverlust auftreten. Allerdings ist Tinnitus nicht automatisch mit Schwerhörigkeit oder Hörverlust verbunden.

Für Außenstehende ist es oft schwer, das nötige Verständnis aufzubringen: Wer es noch nicht selbst erlebt hat, kann sich den Lärmterror im Kopf und dessen Auswirkungen nicht vorstellen. Dabei sind gerade Tinnitus-Patienten auf einen verständnisvollen und Stress-freien Umgang mit ihren Mitmenschen angewiesen. Denn Tinnitus selbst bedeutet für sie schon einen erheblichen Stressfaktor – und Stress, Unruhe und Ängste wiederum können zu einer verstärkten Wahrnehmung der Ohrgeräusche führen.

Erkennung & Untersuchungen

Vor jeglicher Behandlung sollte eine möglichst exakte Diagnose mit ausführlicher Ursachenfindung erfolgen. Dazu gehören HNO-ärztliche Untersuchungsverfahren und klinische Tests. Häufig wird bei entspechenden Symptomen einfach von einer Durchblutungsstörung ausgegangen – und gezielt darauf behandelt. Liegen aber andere Ursachen zugrunde, bleibt der Erfolg der Behandlung aus.

Die Art des Geräusches kann bereits Hinweise auf dessen Ursache geben:

  • Sausen, Brummen, Rauschen oder Klingeln ist oft eine Folge von Erkrankungen des Mittelohrs und der damit verbundenen Strukturen wie Nasennebenhöhlen usw.
  • Zischen oder Pfeifen weist eher auf Erkrankungen des Innenohres hin. Sie treten nach akustischen Traumen (z.B. Schießen ohne Ohrstöpsel, Discobesuch) aber auch beim Hörsturz und der Menière-Krankheit auf.

Auch manche Vergiftungen können Ohrgeräusche hervorrufen. Bei der (heute seltenen) Arsen-Vergiftung hört man z.B. zischende oder pfeifende Ohrgeräusche.
Puls-synchrone Ohrgeräusche sind meist Folge von Durchblutungsstörungen – aber nicht immer durch durchblutungsfördernde Mittel beeinflussbar. Eine Form des Bluthochdrucks (arterielle Hypertonie) wird häufig von Ohrgeräuschen begleitet. Ohrgeräusche muss man unterscheiden von den akustischen Phänomenen im Rahmen einer Aura bei Epilepsie und Halluzinationen.

Therapie

Grundsätzlich gilt für die Therapie des Tinnitus:

  • So früh wie möglich behandeln!
  • Realistische Ziele verfolgen!

Tinnitus sollte so früh wie möglich behandelt werden. Wer einen plötzlichen Hörsturz (Hörverlust auf einem Ohr) oder über eine Stunde lang anhaltende Ohrgeräusche feststellt, hat die besten Aussichten auf Heilung, wenn er innerhalb der nächsten drei Stunden einen HNO-Arzt aufsucht. Hier liegen die Heilungserfolge bei etwa 90%. Auch in den ersten drei Tage danach ist die Situation noch sehr günstig.

Ein drei bis sechs Monate bestehender Tinnitus gilt noch als Akutfall mit guten therapeutischen Möglichkeiten, danach wird er als chronisch eingestuft.

So unterschiedlich die Ursachen und Erscheinungsformen des Tinnitus sind, so unterschiedlich sind auch die im Einzelfall notwendigen und erfolgversprechenden therapeutischen Maßnahmen. Entscheidend für den erfolgreichen Verlauf einer Therapie ist die innere Einstellung des Betroffenen. Da es weder eine medikamentöse noch eine nicht-medikamentöse Therapie gibt, die den Tinnitus garantiert und vollständig heilt, sollte der Patient versuchen, „mit dem Tinnitus Frieden zu schließen“, d.h. er sollte lernen, ihn als Teil seiner Persönlichkeit und seines Lebens zu akzeptieren.

In sehr vielen Fällen kann das Therapieziel nur bedeuten, einen unerträglich erscheinenden Tinnitus in einen erträglichen zu verändern. Das schließt nicht aus, dass es auch noch in der chronischen Phase Fälle geben kann, in denen der Tinnitus nahezu vollständig zurückgedrängt wird.
Da gerade beim Tinnitus der psychische Aspekt eine große Rolle spielt, kann der Erfahrungsaustausch innerhalb einer Selbsthilfegruppe wesentlich zu einer seelischen Stabilisierung und zu einer Verbesserung der persönlichen Lebenssituation beitragen.

Akutphase

  • Infusionstherapie: Standardtherapie in der Akutphase. Es werden ambulant oder stationär per Infusion Substanzen verabreicht, die die Fließeigenschaften des Blutes verbessern. Den größten Erfolg hat diese Therapie in der Akutphase, möglichst bald nach Feststellen der Diagnose Hörsturz oder Tinnitus. Sie bewirkt eine verbesserte Durchblutung und Sauerstoffversorgung der Kochlea (Gehörgangsschnecke im Innenohr).

Chronischer Tinnitus

  • Hyperbare Sauerstofftherapie:
    Der Patient atmet über eine Maske 100%igen Sauerstoff ein. Dadurch soll die Sauerstoffversorgung im Innenohr verbessert und die Regeneration der Sinneszellen angeregt werden.
  • Tinnitus-Retraining-Therapie („Habituation“, Gewöhnung):
    Die Tinnitus-Retraining-Therapie (TRT) basiert auf der Erkenntnis, dass zumeist nicht eine Störung des Ohrs, sondern der Wahrnehmung die Ursache für den Tinnitus ist. Jedes Ohr hat ein Eigengeräusch, in der Fachsprache „otoakustische Emission“, das üblicherweise im Hörzentrum des Gehirns, wo die akustischen Informationen in Form von bioelektrischen Impulsen verarbeitet werden, „herausgefiltert“ wird. Geht diese Filterfunktion des Hörzentrums verloren, hat man einen Tinnitus. Folglich muss nicht das Ohr repariert, sondern die Wahrnehmung umprogrammiert werden. Dies ist durch entsprechendes Training möglich.

Die TRT verfolgt zwei Ziele: Die Beseitigung der emotionalen Auswirkungen des Tinnitusgeräusches (Habituation der Reaktionen) und die Beendigung der Tinnituswahrnehmung (Habituation der
Wahrnehmung) . TRT basiert auf der Zusammenarbeit eines Tinnitus-Retraining-Teams bestehend aus Ohrenarzt, Hörgeräte-Akustiker und Psychotherapeut/Psychologe, die gemeinsam mit dem Betroffenen von drei Fachrichtungen ausgehend auf eine Umgewöhnung (Habituation) hinarbeiten. Dabei wird das Hörzentrum des Gehirns, in welchem die zentralen Hörprozesse ablaufen, gegenüber dem Ohrgeräusch unempfindlicher gemacht und die Aufmerksamkeit umgelenkt. Auch die TRT arbeitet nicht unbedingt mit dem Ziel einer vollständigen Heilung, vielmehr soll der Tinnitus von einer zerstörerischen, bedrohlichen Phantomwahrnehmung in eine belanglose Nebensache umgewandelt werden.

Die TRT verwendet dafür unter anderem einen sogenannten „Noiser“, dessen Funktion und Wirkung von einem speziell ausgebildeten Hörgeräte-Akustiker in bestimmten Abständen kontrolliert wird. Es handelt sich um einen ähnlich wie ein Hörgerät aussehenden Geräusch-Generator, der ein angenehmes „Rosa Rauschen“ anbietet, auf das man die Wahrnehmung nach und nach umgewöhnen kann. Der Noiser wird – auch bei einseitigem Tinnitus – an beiden Ohren täglich über einen längeren Zeitraum angewendet.

Neben dieser „technischen Seite“ gehören zu einer TRT jedoch auch die Durchblutungsförderung des Innenohrs, das Erlernen von Entspannungstechniken, Stressmanagement und eine intensive psychologische Beratung in Gruppen- und Einzelsitzungen Kurzzeittherapie).

Die Erfahrungen mit der Tinnitus-Retraining-Therapie sind außerordentlich positiv. Bei einem professionellen Einsatz der Methode liegt die Erfolgsquote bei bis zu 80% . Wie auch andere Therapien, wirkt TRT um so besser, je früher es eingesetzt wird. Eine erfolgreiche Therapie kann etwa ein bis eineinhalb Jahre dauern . Während der Durchführung des TRT sind zwei weitere Methoden ausgeschlossen, da sie kontraproduktiv sind: Bewältigungstraining und Maskierung, da beide die Habituation (Gewöhnung) verhindern.

  • Kombiniertes Ablenkungs- und Entspannungstraining (AET):
    Eine neue Rehabilitationsmethode konzentriert sich auf die Elemente Entspannungstraining und Ablenkungstraining und kann ambulant durchgeführt werden. Klinische Erfahrung und wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass emotionaler Stress bzw. psychische Anspannung die Tinnitussymptomatik in der Regel verschlimmert. Außerdem weiß man, dass Tinnitus besser ertragen bzw. weniger deutlich wahrgenommen wird, wenn die Aufmerksamkeit der betroffenen Person durch die Beschäftigung mit anderen Dingen gebunden ist, d.h. wenn die Person vom Ohrgeräusch abgelenkt ist. In dem kombinierten Ablenkungs- und Entspannungstraining (AET) wird ein klassisches Entspannungsverfahren (Progressive Muskelentspannung nach Jacobson) auf neuartige Weise mit einem Aufmerksamkeits(ab)lenkungs-Training kombiniert; das Verfahren ist apparategestützt und computergesteuert. Im Rahmen dieses Tinnitus-Rehabilitationsprogramm wird die Aufmerksamkeit vom Ohrgeräusch abgelenkt, indem durch Licht- und Wärmereize angenehme Sinnesempfindungen hervorgerufen und in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt werden.

Ergebnis eines ersten Studienprogramms der Universität Trier: Mit dem ambulant durchgeführten AET wurde eine Minderung der Tinnitusbelastung (laut Tinnitus-Fragebogen) in einer Größenordnung erreicht, wie sie sonst für weitaus aufwendigere, mehrwöchige stationäre Rehabilitationsprogramme angegeben wird.

Weitere Informationen:
Forschungszentrum für Psychobiologie und Psychosomatik der Universität Trier, Privatdozent Dr. Friedemann Gerhards,
Dietrichstraße 10/11, 54290 Trier, Tel. 0651/975-8633 oder 947-2456, Fax 0651/947-2458, Email: gerhards@uni-trier.de

  • Maskierung:
    Das Tinnitus-Maskierungsgerät – nicht zu verwechseln mit dem „Noiser“, der zur TRT eingesetzt wird – beruht auf dem Prinzip, dass ein akustisches Signal durch ein anderes akustisches Signal verändert, verdeckt oder überlagert werden kann. Der Patient trägt bei Bedarf (wenn der Tinnitus unerträglich wird) am betroffenen Ohr einen individuell auf die Frequenz seiner Ohrgeräusche abgestimmten „Masker“ in der Größe eines Hörgeräts. Die Töne des Maskers sollen die Phänomene des Innenohrs übertönen und den Tinnitus sozusagen verdrängen. Da die Lautstärke dieser Geräte sehr weit erhöht werden kann, besteht die Gefahr einer Hörschädigung bzw. einer Verschlimmerung des Tinnitus. Kritiker führen an, daß die „Vertäubung“ des Tinnitus durch den Masker keine Habituation erlaubt, wie sie mit TRT möglich ist, und deshalb keine dauerhafte Wirkung erzielt.
  • PST – Pulsierende Signal Therapie:
    Eine neue Therapie soll bei chronischem Tinnitus zu einer deutlichen Abnahme der Ohrgeräusche bis hin zum völligen Verschwinden verhelfen. Die ursprünglich für Gelenkbehandlungen entwickelte und seit drei Jahren in Deutschland angewandte PST- Pulsierende Signal Therapie basiert auf einem einfachen Prinzip: Über eine Magnetspule werden Signale mit einem speziellen, den biologischen Vorgängen im Körper ähnlichen Impuls- und Frequenzmuster auf das erkrankte Körperteil übermittelt. Im Bereich der Gelenke bedeutet dies die wissenschaftlich nachweisbare Neubildung von Knorpel und Bindegewebe. Bei Tinnitus ist der Wirkmechanismus noch nicht erforscht.

Der Patient wird bei der PST an zwölf aufeinanderfolgenden Tagen – außer am Wochenende – jeweils eine Stunde mit den gepulsten Signalen beschallt. Dabei sitzt der Betroffene gemütlich im Sessel. Nebenwirkungen sind derzeit nicht bekannt. Die Kosten in Höhe von DM 1.080 DM werden von den Krankenkassen zur Zeit noch nicht übernommen. Informationen zu der neuen Behandlungsmethode erhält man beim PST-Zentrum Berlin-Wilmersdorf (siehe wichtige Adressen).

  • Musiktherapie:
    Die Musiktherapie macht sich zunutze, dass unser Gehirn Höreindrücke – auch einzelne Töne – filtern kann. Innerhalb eines klassischen Musikstücks, z.B. eines Violinkonzerts von Mozart, wird auf der Tonhöhe des individuellen Tinnitus-Tons ein Störsignal eingebaut. Der Patient empfindet dieses zunächst als lästige Störung, „überhört“ es jedoch im Verlauf des Trainings immer mehr.
  • Mentales Musik-Motivationstraining:
    Hier werden individuell variierbare Klangkompositionen zusammengestellt – ohne die bei der Musiktherapie verwendeten Tinnitus-ähnlichen Störelemente. Ziel ist Entspannung durch Musik und eine verstärkte Selbstkontrolle des Patienten.
  • Sonstige Therapien:
    Bei Patienten, die sich unabhängig von ihrem Tinnitus wegen Beschwerden am Bewegungsapparat einer Brügger-Therapie unterzogen, trat unerwartet eine Veränderung der Ohrgeräusche auf (Änderung der Tonhöhe oder Geräusch verschwand für einige Zeit). Inzwischen gibt es Kliniken, die die Brügger-Methode in ihre Tinnitus-Therapie im Rahmen einer Reha-Kur integriert haben (z.B. Nordseeklinik II in St. Peter-Ording).

Tinnitus und Hörsturz auf der Grundlage einer Durchblutungsstörung sollen sich außer durch Infusionstherapie auch mittels durchblutungsfördernder Pflanzenwirkstoffe wie z.B. Ginkgo-Extrakt günstig beeinflussen lassen.

Mit individuell unterschiedlichem Erfolg werden als unterstützende Maßnahmen Akupunktur, Elektroakupunktur, Bio-Feedback, Feldenkrais-Therapie, Hypnotherapie, Neuraltherapie, Homöopathie, Bewegungstherapie, Ganzkörperentspannung, Tai Chi, Meditation, Yoga, Klangtherapie oder Methoden aus dem Ayurveda eingesetzt.

Da Stressfaktoren und seelische Befindlichkeitsstörungen die Sinneswahrnehmung und damit auch den Tinnitus verstärken, tragen alle Therapieformen, die zu einer körperlich-seelischen Entspannung führen, zur besseren Bewältigung der Hörphänomene und der schwierigen Alltagssituation bei. Dazu zählt auch die psychologische Betreuung, wenn nötig unter Einbeziehung des Partners.

Vorsorge

Zur Vorbeugung von Hörschäden und Tinnitus sollte man akustische Reizüberflutung und für das Ohr traumatische Erlebnisse meiden.

  • Leise und entspannende Musik bevorzugen.
  • Den Ohren nicht zu oft Rock-Konzerte, stundenlange Techno- oder Disco-Musik bzw. laute Musik per Walkman zumuten.
  • Lärmschutzvorschriften am Arbeitsplatz oder beim Schießsport einhalten.
  • Vorhersehbare plötzliche Knalltraumen z.B. Silvester-Knaller möglichst nicht aus nächster Nähe mithören.

Für den, der aktiv etwas zur Vorbeugung tun möchte, gibt es eine einfache und preiswerte Maßnahme: Selbst singen. Singen gilt als günstig und sehr entspannend für unser Hörsystem. Man sollte schon im Kindesalter damit beginnen.

Darüber hinaus gibt es außer einer gesunden, Stressarmen Lebensweise keine Maßnahmen, die das Risiko eines Tinnitus beeinflussen könnten. Wer einem durchblutungsbedingten Tinnitus vorbeugen möchte, muss Riskofaktoren wie das Rauchen ausschalten.

Weitere Infos

„Lassen Sie den Knochen schwingen“
Eine Neuentwicklung soll Patienten auch langfristig von Tinnitus-Geräuschen befreien. Eine kleine Schwingungssonde (Aurex-3, ADM Tronic, New Jersey), die den Betroffenen hinter das Ohr implantiert wird bringt den Mastoid-Knochen zum vibrieren und erzeugt so Schwingungen, die vom Trommelfell verarbeitet werden können. In diesem Knochen befindet sich die Kochlea (Schnecke) – jener Teil des Ohrs,der mechanische Vibrationen in Aktionspotentiale, also Nervenimpulse, umwandelt. Mittels einer Fernsteuerung wird die Frequenz der Schwingungen justiert. Der Patient kann so die exakt entgegengesetzte Frequenz zu derjenigen erzeugen, die sein Gehör belastet. Dadurch heben sich die Geräusche gegenseitig auf. Erste Ergebnisse liegen bereits vor. Weitere klinische Versuche sollen jetzt folgen.

Warnung vor Geschäftemachern
Auf der 70. Jahresversammlung der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie in Aachen im Mai1999 stellte Prof. Klaus Seifert, der 1. Vorsitzende des Deutschen Berufsverbandes der Hals-Nasen-Ohrenärzte fest, daß die HNO-Ärzte inzwischen die Tinnitus-Behandlung in „vernünftige Bahnen lenken“. Vor allem die Retraining-Therapie zeigt Erfolge: Mit ihrer Hilfe kann der Tinnitus zwar nicht beseitigt und geheilt werden, „doch das Verfahren hilft den Betroffenen, damit umzugehen“.
Gleichzeitig warnt der Experte vor „Kurkliniken, die aufgrund von Patientenmangel nun den Tinnitus entdecken und ohne Ohrenarzt und die erforderliche Geräteausstattung Betroffene mit einem Sammelsurium der unterschiedlichsten Methoden behandeln, deren Wirksamkeit zumeist nicht bewiesen ist.“

Häufige Fragen

Macht Tinnitus schwerhörig?

Tinnitus macht nicht schwerhörig, aber er ist oft die Folge einer Schwerhörigkeit.

Macht es Sinn möglichst viele der angebotenen Therapien auszuprobieren oder zu kombinieren?

Vom „Therapie-Hopping“ ist abzuraten. Welche der Möglichkeiten in jedem individuellen Fall sinnvoll kombiniert werden können, kann nur der Fachmann entscheiden. Rehabilitationsprogramme können viele Monate oder bis zu ein oder zwei Jahren dauern. Durchhaltevermögen bringt mehr als schneller Wechsel.

Mein Tinnitus besteht schon sehr lange, kann ich überhaupt noch etwas dagegen tun?

Der Verlauf und die Besserungsaussichten des Tinnitus sind nur sehr schwer vorherzusagen. Therapien wie das Retraining sind aber speziell für den chronischen Tinnitus entwickelt worden und lohnen auf jeden Fall einen Versuch.

Ich brauche ein Hörgerät. Es verschlimmert aber meinen Tinnitus. Was kann ich tun?

Suchen Sie einen erfahrenen Hörakustiker mit Ausbildung zum Tinnitus-Experten auf. Adressen können Ihnen die Ortsgruppen der Tinnitus-Liga oder Ihre Selbsthilfegruppe geben.

Bin ich durch den Tinnitus als behindert anerkannt?

Nach dem Bundesversorgungsgesetz (Stand 1996) gilt ein Grad der Behinderung, bzw. eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 0 bis 10 bei Tinnitus ohne nennenswerten psychischen Begleiterscheinungen, 20 bei erheblichen psychischen Begleiterscheinungen,
30 bis 40 bei wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit,
50 bei schweren psychischen Störungen und sozialen Anpassschwierigkeiten.

Im Zusammenhang mit Tinnitus hört man immer wieder die Begriffe Hörsturz, Menière’sche Krankheit und Hyperakusis, was versteht man darunter?

Als Hörsturz wird ein plötzlich auftretender Hörverlust auf einem Ohr,selten auf beiden Ohren, bezeichnet. Er wird häufig von Tinnitus und Schwindel begleitet. Der Schwindel vergeht gewöhnlich, der Tinnitus jedoch bleibt häufig bestehen, selbst nach Wiederherstellung des Hörvermögens.

Die Menière’sche Krankheit (Morbus Menière) macht sich durch die Kombination aus Druckgefühl im Ohr, Drehschwindel, Übelkeit und Erbrechen bemerkbar, verbunden mit starken Geräuschen und zunehmender Schwerhörigkeit auf dem befallenen Ohr. Die Ursachen sind unbekannt.

Bei der Hyperakusis werden bereits Geräusche von geringer Lautstärke, z.B. menschliche Stimmen oder Umweltgeräusche, als außerordentlich laut und belastend empfunden. Patienten mit Hyperakusis leben meist in einer „schallgedämpften“ Wohnung, bereits das Geräusch eines Tellers, der auf einen nicht mit Stoff bedeckten Tisch gestellt wird, ist ihnen unerträglich. Zusätzlich kann auch noch Tinnitus auftreten. Hyperakusis ist nicht zu verwechseln mit der psychotischen Angst vor Geräuschen, der Phonophobie.

Wichtige Adressen

Deutsche Tinnitus-Liga e.V. (DTL)
Postfach 210351
42353 Wuppertal
Tel.: 0202 / 24652-0
Fax 0202 / 24652-20
www.tinnitus-liga.de
Info per Faxabruf 0190 / 250206 (1,21 DM / min)
Info per Telefonansage 0190 / 250205 (1,21 DM / min)
(unter dieser Nummer können sich Nicht-Betroffene typische Tinnitus-Geräusche anhören)
Bei der Zentrale in Wuppertal erhält man die Adressen, der in vielen Städten vertretenen Ortsgruppen sowie von spezialisierten Tinnitus-Kliniken.

Deutsche Gesellschaft für Tinnitustherapie e.V.
Lindenstaße 34
32816 Schieder
Tel 0211 / 554143
Fax 0211 / 570584

Tinnitus-Hilfe e.V.
Moorenstraße 31
45131 Essen
Tel/Fax 0201 / 798178
Favorisiert ganzheitliche Therapieausrichtung, biomentales Training.

PST-Zentrum Berlin-Wilmersdorf
Infotelefon 01805 / 4636778 (0,24 DM / min)
oder www.aerzte-berlin.de/tinnitus/