Laut des Alten Testamentes soll Methusalem im Jahr der Sintflut im Alter von 969 Jahren gestorben sein. Ein biblischer Rekord, der nicht mehr gebrochen werden sollte. So erfahren wir im ersten Buch Mose, daß der Herr die Tage des Menschen auf 120 Jahre begrenzt wissen wollte. Ein Alter, daß Moses auch exakt erreicht haben soll. Die Jahrtausend alte ayurvedische Lehre geht ebenfalls von einer maximalen Lebenserwartung von 120 Jahren aus, und auch die moderne Wissenschaft kommt bislang zu keiner anderen Aussage.
Nicht desto trotz: Dank wachsendem Wohlstand und medizinischem Fortschritt steigt seit Jahrzehnten die Lebenserwartung in den Industrieländern dramatisch an. Das durchschnittlich zu erwartende Alter liegt in Deutschland für Frauen bei gut 80 Jahren, bei Männern 7 Jahre darunter. Das ist schon doppelt so hoch wie noch vor hundert Jahren und der Trend setzt sich fort. Experten halten es für durchaus wahrscheinlich, daß die meisten unserer Enkelkinder ihren 100. Geburtstag feiern können
Das Rätsel des Alterns – warum sind wir nicht unsterblich?
Da wir immer älter werden erleben immer mehr Menschen, was es bedeutet zu altern. Ein bisher unumkehrbarer Vorgang, bei dem die Organe (bzw. die Zellen) des Körpers allmählich ihre Funktion verlieren. So ist Altern geprägt durch Verschleiß und Leistungseinbußen, die bereits nach der sexuellen Reifephase beginnen und sich bis zum Ende des Lebens unaufhaltsam fortsetzen. Ursachen dieses Vorganges beginnen die Gerontologen erst langsam zu entschlüsseln. An die 300 Theorien hierzu sind bisher entwickelt worden.
Warum ist Altern biologisch erforderlich?
Evolutionsbiologen geben auf diese Frage eine klare Antwort: Die meisten Organismen sind nicht auf Unsterblichkeit angelegt, sondern investieren wesentliche Energien in Systeme, die der Fortpflanzung dienen. Damit genügend Nachwuchs gezeugt und großgezogen wird, erhält jede Art eine höhere physiologische Kapazität als dafür unbedingt notwendig ist. Hochentwickelten Arten, wie dem Menschen, wird so ermöglicht lange über die Geschlechtsreife hinaus zu leben. Die Mortalität nimmt danach jedoch mit jedem Lebensjahr zu.
Theorien des Alterungsprozesses
Altern ist letztlich sicher nicht auf eine Ursache zurückzuführen. Prozesse laufen parallel und in Wechselwirkung miteinander ab, wobei viele genetisch gesteuert werden. Sicher ist: Altern findet in den Zellen statt. Beim Menschen beginnt das Altern, das Absterben der Zellen, bereits im Alter von 10 -11 Jahren. Daß sich Zellen nicht unbegrenzt teilen können wissen Biologen seit Jahrzehnten. Der Alternsforscher Leonard Hayflick entdeckte bereits 1961, daß Zellen mit jeder Teilung älter werden und nach durchschnittlich 60 Teilungen degenerieren. Doch warum sterben die Zellen?
Zelltod: Vorprogrammiert oder nur Verschleiß?
Prinzipiell werden zwei Arten von Theorien für den Vorgang des Alterns diskutiert: Die Theorie um die genetischen Ursachen (Programmtheorie) und die sogenannte Verschleiß- oder Fehlertheorie.
Die Programmtheorie geht davon aus, daß der Prozeß von Altern und Tod ein ureigener Teil des Lebens ist: Von Anfang an läuft in jeder Zelle ein genetisches Alterungsprogramm nach einem arttypischem Muster ab. Mit Identifizierung dieser Gene und entsprechender gentechnischer Manipulation könnte dieses „Todesprogramm“ abgeschaltet werden. Der Mensch könnte wesentlich länger Leben.
Für Wissenschaftler, die Vertreter der Fehlertheorie bevorzugen, ist Altern das unvermeidbare Resultat des Verschleißens von Zellen und ihrer Erbsubstanz. Äußere Einflüsse wie UV-Licht, Chemikalien oder freie Radikale greifen bestimmte Zellstrukturen an.
DNA, Proteine oder Fette können so irreparabel geschädigt werden.
Neuere Forschungsergebnisse unterstützen diese Theorie: Z.B. haben Pellici et al. im Erbgut von Mäusen ein Gen („p66“) ausgeschaltet, das u.a. für die Steuerung des Selbstmordprogrammes der Zellen zuständig zu sein scheint. Die Tiere – „Methusalem-Mäuse“ benannt – sind in hohem Maße resistent gegen „oxidativen Streß“ und leben 7 Monate länger als ihre genetisch unveränderten Artgenossen.
Die biologische Uhr oder das Geheimnis der Krebszelle
Inzwischen haben Wissenschaftler Zellen entdeckt, die sich offenbar endlos durch Teilung am Leben erhalten können: Keimzellen und Krebszellen. Diese Zellen besitzen somit den Schlüssel zur biologischen Lebensuhr. Forscher konnten feststellen wo genau diese Uhr tickt. Sie befindet sich an den Enden der Chromosomen, den sogenannten Telomeren. Während diese Telomere bei embryonalen Zellen am längsten sind, besitzen gealterte Zellen wesentlich kürzere Telomere als Chromosomen-Endstücke. Mit
jeder Zellteilung werden die Telomere verkürzt, bis sie verloren gehen und die Zelle anschließend stirbt.
Biologen ist es in Experimenten an menschlichen Zellkulturen gelungen die biologische Uhr zurückzudrehen. Mit Hilfe der als „Unsterblichkeits-Enzym“ gepriesenen Telomerase konnten sie die Chromosomen-Enden stetig verlängern und somit die begrenzte Teilungsfähigkeit der Zellen aufheben.
Gene für Langlebigkeit – Einige Erfolge der Genforschung
Die Gerontologen warten immer schneller mit neuen bahnbrechenden Erfolgen auf:
– 1996 isolierte die Arbeitsgruppe um Michael Rose an der University of California (Irvine) das menschliche „WRN-Gen“, das wesentlich am Alterungsprozeß beteiligt ist. Das Gen führt zu einer seltenen Erbkrankheit – einer Form der Progerie – das sogenannte „Werner-Syndrom“. Bei betroffenen beginnt die fatale Kaskade des Alterns bereits mit dem zwanzigsten Lebensjahr. Sie ergrauen, die Haut wird faltig, sie leiden an Herzproblemen, Arteriosklerose, Diabetes und Krebs.
Das Gen codiert für eine sogenannte Helicase, die für Reperaturprozesse der DNA und der Teilung der Zelle benötigt wird.
– Japanische Wissenschaftler identifizieren bei Labormäusen ein Gen, das offenbar dazu beiträgt Alterungsprozesse zu verzögern. Sie nannten es „Klotho-Gen“ nach der Tochter des Zeus, die den Lebensfaden spinnt. Eine Veränderung dieses Genes führt zu einem vorzeitigen Leiden an Altersgebrechen der Tiere, das denen der Menschen sehr ähnelt. Der körperliche „Verfall“ ist bereits nach drei Wochen bei den Mäusen zu erkennen – nach spätestens zehn Wochen sterben sie.
– I’m not dead yet (Indy) – ich bin noch nicht tot!
Modell der DNA
So haben Forscher der University
Connecticut Ende letzten Jahres ein künstlich verändertes Gen genannt, das jünger macht. Zumindest die Fruchtfliege Drosophila. Das Indy-Gen läßt die Fruchtfliege mit 70 Tagen fast doppelt so lange leben wie „normal“. Umgerechnet würde das einem Menschenalter von 200 Jahren entsprechen.
– Der Biologe Siegfried Hekimi aus Montreal hat Mutanten des Fadenwurms C. elegans gezüchtet, die statt ihres biologisch vorgegeben Alters von 9 Tagen bis zu 50 Tagen lebten. Übertragen auf den Menschen würde dies eine durchschnitlliche Lebenserwartung von 440 Jahren bedeuten.
So unbestritten die Forschungserfolge auch sein mögen – die Prophezeiung der Unsterblichkeit des Homo sapiens dürfte noch verfrüht sein. Wissenschaftler gehen davon aus, daß etwa 100 Gene am Phänomen der biologischen Uhr involviert sind. Welche Gene dies sind, wie sie an- und abgeschaltet werden und welche Wechselwirkungen bestehen ist noch weitgehend unbekannt.
Trendwort Anti-Aging – Wo bitte geht’s zum Jungbrunnen?
Erstaunlich, aber darüber sind sich Forscher einig: Hungern verlängert das Leben! Wissenschaftlich belegt ist dies zumindest bei Nagetieren, Fischen, Spinnen und Fruchtfliegen. Der Mediziner Richard Weindruch setzte beispielsweise Mäuse und Ratten auf eine Radikaldiät. Die Tiere erhielten nur noch zwei drittel der normalen Kalorienzufuhr – darin enthalten jedoch alle nötigen Spurenelemente und Vitamine. Fazit: Die hungernden Nager leben gut ein Drittel länger als ihre wohlgenährten Artgenossen. Und bleiben zudem noch gesünder!
Ähnliche Beobachtungen wurden in den USA auch bei Diät-Experimenten mit Affen gemacht. Die Theorie: Der Stoffwechsel verlangsamt sich und es entstehen weniger aggressive Oxidantien. Somit werden Zellschädigungen – und damit der Alterungsprozeß – verzögert. Ob wir mit der strikten Diät tatsächlich unser Leben verlängern (und verbessern) können ist derzeit noch offen. Fest steht nur, daß Hundertjährige im allgemeinen mäßige Esser waren.
Auch von der Pharma-Industrie werden zunehmend Wundermittel zur Verjüngung angepriesen. Dazu gehören DHEA (Dehydroepiandrosteron), Melatonin und verschiedene Wachstumshormone. Die Liste der Indikationen ist lang: U.a. fördern die Mittel angeblich die Immunabwehr, das Muskelwachstum und glätten faltige Haut. Risiken und Nebenwirkungen sind meist aber noch nicht erforscht. Langzeitstudien fehlen. Experten warnen deshalb vor einer unkontrollierten Einnahme.
Möchten wir wirklich unsterblich sein?
Auflösung von Zeit und Raum? Es mag beruhigend klingen „alle Zeit der Welt“ zu haben. Im Jetzt zu leben. Ohne Gedanken an Gebrechlichkeiten, Verderb und Tod. Unser Wissen und unsere Weisheiten bekommen eine andere Dimension. Die der Unsterblichkeit. Zukunft und Vergangenheit wird im Jetzt vereint.
Eine Erzählung aus dem Buch „El Aleph“ von Jorge Luis Borges hat den Titel „El Imortal“ – übersetzt „Der Unsterbliche“. Für den Unsterblichen ist die Welt ohne Gedächtnis und ohne Zeit. Seine Unsterblichkeit bedeutet die Auflösung von Raum und Zeit. Lediglich die Existenz im Jetzt bleibt. Erlebt hat man alles eh‘ hundertmale. Individualität geht verloren. Handeln erscheint sinnlos…
Anhang: Einige „natürliche“ Altersrekorde
- Der älteste Mensch war wohl die Französin Jeanne Calmet. Sie starb 1997 im Alter von 122 Jahren. Sie hat den am 29. Juli 1890 verstorbenen Vincent van Gogh noch im Laden ihres Vaters getroffen.
- Der älteste Affe wurde 59. Der Schimpanse starb 1992 im Yerkes Primate Research Center in Atlanta.
- Der ältest lebende Baum ist mit ca. 7000 Jahren „Eternal God“. Der Redwood steht im Prairie-Creek-Redwoods-Nationalpark in Kalifornien.
- Im tasmanischen Regenwald wächst die älteste Pflanze der Welt. Sie zählt 43.000 Lebensjahre. Das stachelpalmige Gewächs besteht aus 100 Büscheln, die 1,2 Quadratkilometer Boden bedeckt.
- Die älteste Katze starb 1939 mit 36 Jahren in England.
- Der australische Hirtenhund „Bley“ wurde 29,5 Jahre alt. Das Durchschnittsalter von Hunden beträgt 12-20 Jahre.
- Der älteste Wellensittich wurde 29 Jahre und 2 Monate alt. Er starb 1977.
- Die Schildkröte Harriet ist mit 170 Jahre das älteste lebende Reptil. Sie wiegt sieben Zentner und lebt in einem australischen Zoo. Charles Darwin brachte sie 1835 als 5-jähriges Tier von den Galapagos-Inseln mit.